care | INCI-Wiki (36): Polymethylmethacrylat

Nicht jeder Inhaltsstoff, der es ins INCI-Wiki schafft, ist automatisch ein pflegender Stoff mit potentiell positven hautwirksamen Eigenschaften, so auch unser heutiger Kandidat.

Bei der Formulierung von Hautpflegeprodukten geht es nicht ausschließlich darum, was an wirksamen Bestandteilen enthalten ist, es sind oft auch andere Faktoren zu berücksichtigen. Klassisches Beispiel ist Vitamin C, das nur im passenden Medium auch wirklich seinen pflegenden Effekt entfalten kann. Ähnliches gilt für Pflegestoffe, die von sich aus die Hautbarriere selbst nicht überwinden können und daher auf Penetrationsförderer angewiesen sind. Aber auch wenn es darum geht, Kosmetika für den Verbraucher angenehm zu gestalten, wird auf Inhaltsstoffe zurückgegriffen, die eigentlich keine pflegenden Eigenschaften haben. Zu nennen wären da Parfum, um der Verbrauchernase zu schmeicheln, Konservierungsmittel, die das Produkt nach Anbruch für eine Weile haltbar machen und das Bakterienwachstum eindämmen oder Viskositätsregler, die das Hautgefühl und die Konsistenz von Kosmetika verbessern.

Im heutigen INCI-Wiki geht es also am Beispiel des Polymethylmethacrylats darum, was Hilfsstoffe in Kosmetika bewirken, welche Funktionen sie haben und ob der Zusatz eben dieser Hilfsstoffe überhaupt Sinn macht. Oder auch auch einfach darum: was macht Acrylglas bzw. Plastik in meinem Hautpflegeprodukt?

Kategorie

Filmbildner, Viskositätsregler

Chemische Bezeichnung

Immer wenn ein „poly“ in einem Namen auftaucht, geht es um „viel“. Im vorliegenden Fall geht es übersetzt also um „poly“/viel Methacrylat. Aber was genau bedeutet das? Dazu kann man sich grob eine Kette vorstellen, auf die man immer wieder die gleiche grüne Perle fädelt. Am Ende erhält man eine Kette aus grünen Perlen, quasi eine „Poly-grüne Perlenkette“. Im Fall unseres heutigen Inhaltsstoffes haben wir einzelne Einheiten/Monomere eines Methacrylsäureesters. Hängt man diese Monomere immer wieder aneinander, bekommt das Polymer „Polymethylmethacrylat“.

INCI und alternative Namen

Polymethyl Methacrylate (INCI), Poly(methyl-2-methylpropenoat), PMMA, Acrylglas, Eudispert, 2-Methyl-2,4-Pentandiol, Poly [1-(methoxycarbonyl)-1-Methylethylen], Poly(methylis Methacrylas), Polymethylmethacrylat.

Funktionen

  • verbessert die Haltbarkeit und Puderigkeit von Make-up Produkten
  • hat einen positiven Einfluss auf die Sensorik von Cremes und Lotionen
  • verleiht dem Produkt besonders gute Verteilungseigenschaften und eignet sich daher als Soft Touch-Additiv

Einsatzkonzentration

1-15%

Formulierung

Polymethylmethacrylat ist ein weißer und geruchloser Feststoff, der sich weder in Wasser noch in Alkohol löst. In Foundations oder Sonnenschutzprodukten sorgt es für einen Soft Touch bzw. Soft Focus Effekt. Zudem lässt sich durch Zugabe von Polymethylmethacrylat das entsprechende Produkt leicht auf der Haut verteilen und regelt die Konsistenz/Viskosität der kosmetischen Zubereitung.

Neben Foundations oder Sonnenschutzprodukten, ist Polymethylmethacrylat auch häufig in Pflegeprodukten, dekorativer Kosmetik oder Volumenmascaras zu finden.

Funfact

Einen pflegenden Effekt hat dieser Inhaltsstoff nicht, es geht rein um eine Verbesserung der Sensorik und des Hautgefühls der kosmetischen Zubereitung. Viele Firmen machen es sich mit der Verwendung von Mikroplastik leicht: statt natürlicher/hochwertiger Inhaltsstoffe zur Regulation der Haptik und der Konsistenz, kommt das billigere Mikroplastik zum Einsatz.

Dreamteam

Wie bereits erwähnt, hat Polymethylmethacrylat keine pflegenden Eigenschaften, sondern ist ein reines Hilfsmittel bei der Formulierung von Produkten. Wirkliche Dreamteams im Sinne der Synergie gibt es hier also nicht. Dennoch ist die Zugabe von Polymethylmethacrylat entscheidend, wenn man „schwergängige“ Produkte anwenderfreundlich gestalten will. Vor allem Sonnencremes wären sonst in den meisten Fällen schwer aufzutragen, würde man nicht etwas in die Trickkiste greifen. Das soll nicht heißen, dass an Polymethylmethacrylat kein Weg vorbei führt. Es gibt Alternativen, doch Hersteller konventioneller Kosmetik greifen aus Kostengründen nach wie vor zu Alternativen aus Mikroplastik (in zertifizierter Naturkosmetik ist die Verwendung von Mikroplastik übrigens nicht zugelassen).

Good to know

Polymethylmethacrylat hatte bestimmt schon jeder mal in der Hand, denn es handelt sich um nichts anderes als einen Kunststoff, gemeinhin auch als Plexiglas bekannt. Aber auch in Pflegeprodukten, Sonnencremes oder dekorativer Kosmetik ist der Einsatz von Polymethylmethacrylat weit verbreitet, denn neben den produktverbessernden Eigenschaften, besteht für den Menschen kaum ein Reizpotential, solange es topisch auf die Haut aufgetragen und nicht oral aufgenommen wird. Zudem ist Polymethylmethacrylat inert, d.h. es regiert quasi nicht mit anderen Stoffen [1].

Was für den Menschen als nahezu gefahrlos eingestuft wird, sieht im Hinblick auf die Natur und den Umweltschutz schon etwas anders aus, denn Polymethylmethacrylat ist Mikroplastik. Schon lange bemängeln kritische Stimmen der Einsatz von Mikroplastik in Verbraucherprodukten und fordern eine klare Kennzeichnungspflicht [2]. Da die Mikropartikel nur zu geringen Mengen aus dem Abwasser gefiltert werden können, geht man davon aus, dass sie über kurz oder lang in den Weltmeeren landen und dort die maritime Umwelt gefährden [3,4].

Literaturangaben

[1] Wollina and Goldman, Fillers for the improvement in acne scars. Clin Cosmet Investig Dermatol. 2015 Sep 29;8:493-9.

[2] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/meere/meere_mikroplastik_in_kosmetika.pdf

[3] Horton et al., Microplastics in freshwater and terrestrial environments: Evaluating the current understanding to identify the knowledge gaps and future research priorities. Sci Total Environ. 2017 May 15;586:127-141.

 

care | understanding skincare

 

5 thoughts on “care | INCI-Wiki (36): Polymethylmethacrylat

    • Geht mir genauso! Ich achte inzwischen auch mehr darauf, trotzdem verbanne ich es nicht vollkommen aus meiner Pflege. Solange es Sinn macht und ich nicht den Eindruck habe, hier will einfach billig produziert und der Kunde verarscht werden, toleriere ich den Zusatz von MIkroplastik manchmal auch (… in Maßen).

      Liebste Grüße,
      Sarah

  • Sonnenschutz ist die einzige Produktkategorie, bei der ich Mikroplastik zähneknirschend akzeptiere, da es hier zumindest tatsächlich einen wichtigen Zweck erfüllt. Es kann die Haltbarkeit, Wasserresistenz und die Wirkung einzelner UV-Filter erhöhen. Bei Reinigungs- und Hautpflegeprodukten mache ich jedoch einen großen Bogen drum. Eine angenehme Konsistenz kann man auch anders erreichen. Das finde ich bei Paula’s Choice zum Beispiel sehr schade, da sie so viele gute aktive Inhaltsstoffe verwenden, aber ein Großteil ihrer Produkte enthält auch Mikroplastik.

    Ich hoffe natürlich, dass es auch bei Sonnenschutz irgendwann eine billige, ähnlich effektive und umweltfreundliche Alternative gibt. Falls Mikroplastik in Kosmetik irgendwann verboten wird, müsste man sich sowieso etwas neues einfallen lassen.

    Übrigens, was hältst du eigentlich von PEGs in Produkten? Ich vermeide sie, sollen ja die Hautbarriere schwächen. Mache ich mir grundlos Sorgen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert